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Transformation ohne Werte ist nur Kosmetik

Millionen fließen in Programme. Folien stapeln sich. Zahlen werden aufpoliert, Prozesse umetikettiert, ESG-Reports geglättet. Auf dem Papier sieht das beeindruckend aus. In der Realität: Kosmetik.

Ich erinnere mich an einen älteren Mitarbeiter in der Linie, der mir mit einem schelmischen Grinsen zur Seite sagte: „Sieht doch alles makellos aus, glänzend und blendend, oder?“ Dieser Satz traf. Denn er erinnerte mich an die alte Manager-Sprache des 20. Jahrhunderts: „die Frau hübsch machen“. Damit meinte man damals: Bilanz verschönern, Zahlen schminken, ein bisschen Glanz für Investoren. Heute heißt es: Kennzahlen „optimieren“, Prozesse umetikettierten, ESG-Report polieren. Kosmetik, nicht Substanz.

Doch:

Kosmetik trägt nicht durch Krisen & bringt keine Innovation hervor

Wahre Transformation beginnt, wenn Werte und Haltung die Grundlage sind. Erst wenn Führung Demut zeigt, Menschen respektiert werden und Kultur bewusst gestaltet wird, entstehen Strukturen, die Substanz haben. In diesem Blog-Beitrag zeige ich Ihnen, ein Vorgehen, wie Sie bestimmte Werte bewusst in die Organisation bringen und erzähle Ihnen von meinen Erlebnissen an einem realen Fall.

Die Ausgangslage

Ich startete als Interim Manager bei einem Kunden, bei dem bereits eines der großen Beratungshäuser ihr Werk in vollem Gange auszurollen war. Es war nicht meine erste Zusammenarbeit mit einem Beratungshaus. Als erstes durfte ich mich durch etliche hübsche Folien durchkämpfen. Vision da, Mission hier, tolle Bilder dort. Nicht falsch verstehen, ich bin Befürworter Wissen mit Ästhetik vermitteln zu können. Doch diese 478 Folien hätte man, wenn man gut ist auf 12 und etwas weniger gut ist auf 20 Folien kondensieren können ohne dabei qualitativen Inhalt zu verlieren. Auf der letzten Folie angekommen dachte ich mir: „Liest sich nett, doch sind niemandem diese Krater aufgefallen, wo die Umsetzung hinken wird?“ Ich habe meine Bedenken zu Kulturmitnahme und verwendeten Werkzeugen geäußert und musste schon mit der nächsten Hürde klarkommen.

In der Linie hörte ich in den unterschiedlichen Gesprächen die sinngemäße Aussage: „Die Berater machen uns hübsch für den nächsten Investor.“ Was war die Konsequenz? Das Vertrauen in das Management war zu dem Zeitpunkt bereits zerstört. Dieses Misstrauen ging sogar soweit, dass ehemalige Kollegen heute nun Vorgesetzte ebenfalls mit der Beförderung als Feindbilder angesehen wurden. Und das Verhalten war in den 7 Standorten zu verzeichnen, die ich begleiten durfte.

Sogar junge Menschen, die nie zuvor Kontakt zu Beratern hatten, ordneten auch mich – als Interim Manager – in diese Schublade ein – Abwehrhaltung, Skepsis, innere Kündigung.

Zuerst: Sei Teil vom Team

Und doch gelang mir, was den Beratern des großen Hauses und anderen Interims-Kollegen verwehrt blieb: Ich wurde als Teil des Teams angesehen. Doch wie schaffte ich das?
Ganz einfach: Weil diesmal wirklich jemand mit weißem Hemd vor Ort war und im nächsten Moment das Outfit mit Staub und Öl beschmutzte, indem er in die Linie und zu den Arbeitsplätzen ging, sofort für die Sicherheit eingriff und umstellte. Bei Einwänden mit „Ich kann das doch machen, dann wird dein Hemd nicht schmutzig“ wirkt die Antwort: „Das Hemd kann ich waschen aber hier geht es um euch, euren Arbeitsplatz und eure Sicherheit.“ wirkt wunder ;-).

Dieser Satz änderte alles – weil ich es auch so meinte.

Vertrauen lässt sich nicht hübsch rechnen. Und genau deshalb ist Transformation ohne Werte nur Kosmetik.

Nun zum Werkzeug:

Respekt ist mehr als ein Wort – Kultur praktisch formen

Respekt wird in vielen Unternehmen großgeschrieben – doch oft bleibt er abstrakt. „Respektiere jeden“ klingt selbstverständlich, doch was bedeutet Respekt für Sie? Es ist sicherlich divergent zu dem, was ich unter Respekt verstehe oder Ihr Umfeld. Für die einen bedeutet es unter anderem zuhören, für die anderen ehrlich sein, für wieder andere Abstand halten.

Genau deshalb führen wir den Wert „Respektiere jeden“ mit einem klaren, praxisnahen Vorgehen ein.

Der Workshop – Kommunikation sichtbar machen

Wir holen Mitarbeitende unterschiedlicher Abteilungen zusammen – gerne auch Teams, die im Alltag miteinander ringen oder sogar rivalisieren und Streitherde bestehen.

  • Kommunikations-Workshop [1 Stunde]
    Einführung in das Thema Kommunikation, Wirklichkeitsebenen (Eisbergmodell) und woran Kommunikation scheitert, wenn wir nur auf der Oberfläche bleiben.
  • Übung: „Was bedeutet Respekt für mich? [1 Woche]
    Alle Workshop-Teilnehmende erhalten leere Moderation-Kärtchen, auf diese sie über eine Woche hinweg aufschreiben: „Wie zeigt sich Respekt für mich?“ oder „Wann fühle ich mich respektiert?
    Zusätzlich vereinbart das Team ein Safe Word (in unserem Fall war es: Apfelmus). Es darf jederzeit ausgesprochen werden, wenn jemand sich nicht respektiert fühlt.
    Der Clou: Die Person entscheidet selbst, ob sie darüber sprechen möchte oder nicht.
    Das Ziel: bewusst machen, wie oft wir uns respektlos fühlen – oder andere (unbeabsichtigt) respektlos behandeln. Im letzteren Fall wird es interessant, wenn die Person, die verletzt wurde, nicht darüber sprechen möchte und der innere Drang die Wiedergutmachung erzwingen möchte. So oft nehmen wir eine Schippe mehr auf und akzeptieren dies mit unserem inneren Selbst, bis uns der Kragen platzt. Doch ist diese Bürde plötzlich offen kommuniziert zwischen zwei Parteien und nicht mehr mit uns selbst, entsteht eine andere Dynamik.

Nach einer Woche – Reflexion und Muster erkennen

Sie als Führungskraft sammeln die Antworten ein, schreiben es in Ihrer Handschrift auf Kärtchen. Das ist wichtig, dass die Verhalten nicht auf bestimmte Mitarbeitende zurückzuführen sind, wenn diese anonym bleiben möchten. Sie als integrer Moderator vergessen natürlich sofort wer was eingereicht hat. Und wenn Sie etwas lesen, dass Sie unbedingt mit dieser Person X besprechen möchten – Lassen Sie es, die Person wäre schon auf Sie zugekommen, wenn das Gefühl vorhanden wäre sich öffnen zu wollen bzw. öffnen zu können.

In dem zweiten Workshop geht es um die Fragen:

  • Wie war die Woche?
  • Gab es Situationen, in denen ich mich nicht respektiert gefühlt habe?
  • Habe ich jemanden (unbeabsichtigt) verletzt? Und durfte ich darüber sprechen?
  • Haben wir Dinge angesprochen oder diese lieber vermieden und den Ärger heruntergeschluckt?

Hier wird klar: Streit an sich ist nicht das Problem – wir streiten nur schlecht bzw. schlucken den Ärger lieber herunter, anstatt Dinge direkt zu klären.

Tun & Sagen – der Eisberg des Respekts

Im Anschluss der Austauschrunde, in der Sie hervorragend moderiert haben geht es an die Flipchart. Hier zeichnen Sie ein Eisberg auf und teilen diesen mit einem vertikalen Strich: Tun vs. Sagen. Gemeinsam ordnet das Team die Antworten (die Sie vorbereitend jeweils auf ein größeres Post-It geschrieben haben; vgl. Bild oben) zu.

  • In meinem mitgebrachten Beispiel zeigt sich: Respekt wird vor allem durch Handlungen (Tun) signalisiert – viel weniger durch Worte (Sagen).
  • Fragen Sie: Blickt noch einmal zurück in die Situationen: Was ist geschehen, damit ihr euch nicht respektiert gefühlt habt? Antwort war: Immer wenn etwas gesagt wurde.
  • Muster werden nun sichtbar. Der AHA-Moment nähert sich. Wir erwarten von anderen respektvolle Sprache, sind aber selbst stark im zeigen von Respekt, doch nicht im Kommunizieren. In Konflikt-Situationen fehlte den Teams die Fähigkeit Sprache richtig anzuwenden, um Spannungen zu lösen.
  • Fragen Sie: Kann man so einen Konflikt-Fall schneller mit „Ich tue jetzt sofort etwas physisch, damit wir den Streit lösen“ oder mit „Wir sprechen über das was passiert ist.“ lösen?
  • Erkenntnis: Handlung bedeutet im Streitfall Bringschuld (darauf hat niemand Lust), Sprache hingegen öffnet Raum für Konsens.

Respekt als Kulturregel

Die Übung endet nicht im Workshop. Sie ist ein Startpunkt, um Kulturregeln gemeinsam zu formen. Dabei geht es nicht nur darum, was Respekt sein soll, sondern auch, was hinter scheinbaren Verhaltensweisen steckt.

Ein Beispiel: Das von mir aufgegriffene „Abstand halten“ (Ich hoffe Sie haben die Augenbrauen zusammengezogen, als Sie das lasen) wirkt für die Teams wie Respekt, zeigt aber auch, dass Kultur gelitten hat und Nähe, Vertrauen und Sprache fehlen und in diesem Fall: das alles zu viel ist.

Abschluss

Transformation hat viele Gesichter. Manchmal strahlt sie wie frisch polierter Lack – glänzend, makellos, blendend. Doch unter der Oberfläche bröckelt das Fundament – die Kultur. Die gute Nachricht: Kultur lässt sich formen. Mit klaren Werten, erlebbaren Übungen und konsequenter Moderation. Ich habe erlebt, wie ganze Teams durch ein einfaches, ehrliches Werkzeug Vertrauen zurückgewannen. Wie Menschen, die innerlich schon gekündigt hatten, plötzlich wieder Energie fanden. Genau darin liegt der Unterschied: Mit Kosmetik kaschieren Sie. Mit Werten transformieren Sie.

Eine Mitarbeitende sagte einst zu mir: „Ich wollte gehen, ich habe meine Kündigung hier in der Tasche, doch jetzt – nach dieser Übung und dem Gespräch – weiß ich, dass ich bleiben möchte.“ Möchten Sie dieses Gefühl auch in Ihrem Unternehmen verbreiten und erleben? Dann lassen Sie uns sprechen, wie Sie Substanz statt Kosmetik schaffen.

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